Lernmodul Mathematik

Dieses Kapitel enthält die folgenden Themen:

 

21.2 Trigonometrie - Erklärungen

Die Trigonometrie ist insofern ein spannender mathematischer Bereich, weil ihre Vorstufen schon in den Antike bekannt waren. Benötigt wurden trigonometrische Berechnungen damals vor allem in der Astronomie und für Landvermessungen. Auch für die Navigation in der Seefahrt ist die Trigonometrie schon sehr lange wichtig. Es gibt also ganz praktische Anwendungsfälle.

Wichtig: Bei allen Aufgaben im Bereich der Trigonometrie ist darauf zu achten, ob die Winkel im Grad- oder im Bogenmaß gegeben sind und ob der Taschenrechner, der bei diesen Aufgaben durchaus sinnvoll ist, entsprechend eingestellt ist. Viele Taschenrechner zeigen bei der Einstellung Gradmaß ein "D" oder "DEG" und bei der Einstellung Bogenmaß ein "R" oder "RAD" (für Radiant) am oberen Rand des Displays.

Auch anhand der Ergebnisse ist der Unterschied zu erkennen: Ist der Taschenrechner auf Gradmaß eingestellt, erhält man \sin \left( \dfrac{ \pi}{2} \right) \approx 0{,}0274 bzw. \sin (\pi) \approx 0{,}0548. Ist umgekehrt der Taschenrechner auf Bogenmaß eingestellt, erhält man \sin(90^\circ) \approx 0{,}8940 bzw. \sin (180^\circ) \approx -0{,}8012. Alle diese "Ergebnisse" sind FALSCH!

Korrekt ist \dfrac{ \pi}{2}=90^\circ und damit \sin \left( \dfrac{ \pi}{2} \right) = \sin (90^\circ) = 1 bzw. \pi = 180^\circ und damit \sin (\pi) = \sin(180^\circ)=0

 

Trigonometrie am Dreieck

rechtwinkliges Dreieck mit klassischen Bezeichnungen

Im rechtwinkligen Dreieck gilt (alle Bezeichnungen entsprechend der oberen Zeichnung):

Sinus: \sin(\alpha) = \dfrac{\text{Gegenkathete}}{\text{Hypotenuse}} = \dfrac{a}{c}   und   \sin(\beta) = \dfrac{\text{Gegenkathete}}{\text{Hypotenuse}} = \dfrac{b}{c}
Kosinus: \cos(\alpha) = \dfrac{\text{Ankathete}}{\text{Hypotenuse}} = \dfrac{b}{c}   und   \cos(\beta) = \dfrac{\text{Ankathete}}{\text{Hypotenuse}} = \dfrac{a}{c}
Tangens: \tan(\alpha) = \dfrac{\text{Gegenkathete}}{\text{Ankathete}} = \dfrac{a}{b}   und   \tan(\beta) = \dfrac{\text{Gegenkathete}}{\text{Ankathete}} = \dfrac{b}{a}
Kotangens: \cot(\alpha) = \dfrac{\text{Ankathete}}{\text{Gegenkathete}} = \dfrac{b}{a}   und   \cot(\beta) = \dfrac{\text{Ankathete}}{\text{Gegenkathete}} = \dfrac{a}{b}

Die Ankathete zu einem Winkel ist die Kathete, die an diesen Winkel angrenzt, wohingegen die Gegenkathete eines Winkels dem Winkel gegenüberliegt. Die Hypotenuse liegt immer dem rechten Winkel gegenüber.

Bemerkung 1: Ganz wichtig: Alle diese Berechnungen funktionieren wirklich nur am rechtwinkligen Dreieck. Für Dreiecke ohne rechten Winkel gibt es Verallgemeinerungen, die dann Sinussatz und Kosinussatz heißen.
Bemerkung 2: Es gilt für alle \alpha: \tan(\alpha)=\dfrac{\sin(\alpha)}{\cos(\alpha)} und \cot(\alpha)=\dfrac{\cos(\alpha)}{\sin(\alpha)}
Bemerkung 3: Der Kotangens wird selten verwendet, weil für alle \alpha gilt: \cot(\alpha)=\dfrac{1}{\tan(\alpha)}. Er wird also nicht wirklich gebraucht.


Zur Schreibweise:

  • Bei all diesen Funktionen können die Klammern weggelassen werden, wenn keine Verwechslungsgefahr besteht. Man schreibt dann beispielsweise: \sin(x) = \sin x.
  • Dringend notwendig sind die Klammern aber dann, wenn Verwechslungen auftreten können. Beispielsweise könnte \sin x \cdot 3 sowohl \sin(x) \cdot 3 als auch \sin (3x) meinen.

 

Trigonometrische Funktionen

Begreift man den Winkel als unabhängige Variable, d. h. fasst man x \in \mathbb{R} als Winkel im Bogenmaß auf, entstehen aus diesen Rechenvorschriften Funktionen, die trigonometrische Funktionen oder Winkelfunktionen genannt werden.

Dann schreibt man:

f(x)= \sin(x) mit dem Definitionsbereich \mathbb{D}=\mathbb{R} und dem Wertebereich \mathbb{W}=[-1; 1]

f(x)= \cos(x) mit \mathbb{D}=\mathbb{R} und \mathbb{W}=[-1; 1]

f(x)= \tan(x) mit \mathbb{D}=\mathbb{R}\backslash_{\{k\pi+\frac{\pi}{2}; k \in \mathbb{Z}\}} und \mathbb{W}=\mathbb{R}

f(x)= \cot(x) mit \mathbb{D}=\mathbb{R}\backslash_{\{k\pi; k \in \mathbb{Z}\}} und \mathbb{W}=\mathbb{R}

Bemerkung: Die Lücken in den Definitionsbereichen von Tangens und Kotangens erklären sich aus der Bemerkung 1 von oben: Da sich der Tangens als Quotient von Sinus und Kosinus darstellen lässt, kann er an den Stellen, wo der Nenner 0 wird, nicht definiert sein. Der Kosinus hat eine Nullstelle bei \dfrac{\pi}{2} und dann jeweils im Abstand von \pi in beide Richtungen weitere, also z. B. bei \dfrac{\pi}{2}+\pi=\dfrac{3\pi}{2} oder bei \dfrac{\pi}{2}-2\pi=-\dfrac{3\pi}{2} . Das lässt sich mathematisch ausdrücken mit \dfrac{\pi}{2}+k\pi mit k\in\mathbb{Z} (\mathbb{Z} ist hierbei die Menge der ganzen Zahlen).
Analog beim Kotangens.


Die trigonometrischen Funktionen sind periodische Funktionen, d. h. ihre Funktionswerte wiederholen sich in regelmäßigen Abständen. Der kleinste Abstand dieser Wiederholung, Periode genannt, beträgt bei der Sinus- und der Kosinusfunktion 2 \pi , bei der Tangens- und der Kotangensfunktion \pi


In der folgenden Grafik sind die Graphen der Sinus- (dünne Linie) und der Kosinusfunktion (fette Linie) dargestellt:

Sinus- und Kosinusfunktion

 

In der nun folgenden Grafik sind die Graphen der Tangens- (dünne Linie) und der Kotangensfunktion (fette Linie) dargestellt:

Tangens- und Kotangensfunktion 

 

Additionstheoreme

Noch eine ganz wichtige Sache im Zusammenhang mit trigonometrischen Funktionen:
Die Summe zweier Sinuswerte ist nicht das Gleiche wie die Summe der Winkel, von der dann der Sinus berechnet wird! Dies kann man sich beispielsweise anhand der folgenden Rechnung klarmachen:
\sin\left(\dfrac{\pi}{2}\right)+\sin\left(\dfrac{\pi}{2}\right) = 1+1 = 2

\sin\left(\dfrac{\pi}{2}+\dfrac{\pi}{2}\right)=\sin\left(\pi\right)=0 kann schon deshalb nicht das Gleiche sein wie oben, weil der Sinus ja maximal den Wert 1 annehmen kann.


Natürlich kann man aber auch mit Summen in Sinus- bzw. Kosinusfunktionen rechnen. Dafür gibt es die sogenannten Additionstheoreme, nämlich
für alle x,y\in\mathbb{R}:
\sin (x \pm y) = \sin(x)\cos(y)\pm\cos(x)\sin(y)

\cos(x\pm y) = \cos(x)\cos(y)\mp\sin(x)\sin(y)

und noch einige weitere ...

 

Der "trigonometrische Pythagoras"

Eine ganz wichtige Formel ...
Es gilt für alle \alpha\in\mathbb{R}: \sin^2(\alpha)+\cos^2(\alpha)=1

Achtung: Mit \sin^2(\alpha) ist (\sin(\alpha) )^2 gemeint und nicht \sin\left(\alpha^2\right).

 

Inverse trigonometrische Funktionen

Die Berechnung von Winkel kann im rechtwinkligen Dreieck mithilfe der inversen trigonometrischen Funktionen geschehen. Weil die Winkel hier üblicherweise im Bogenmaß verwendet werden und "Arkus" das lateinische Worte für "Bogen" ist, werden diese Funktionen auch Arkusfunktionen genannt. Beispielsweise liefert die Arkussinusfunktion zu einem gegebenen Wert z (der, wie wir unten sehen werden, zwischen -1 und 1 liegen muss) einen Winkel \varphi , für den \sin(\varphi)=z gilt. Die Bezeichnungen, die im Folgenden verwendet werden, beziehen sich alle wieder auf die Zeichnung am Anfang der Seite.

Arkussinus: \alpha = \arcsin\left(\dfrac{\text{Gegenkathete}}{\text{Hypotenuse}}\right) = \arcsin\left(\dfrac{a}{c}\right)   und   \beta = \arcsin\left(\dfrac{\text{Gegenkathete}}{\text{Hypotenuse}}\right) = \arcsin\left(\dfrac{b}{c}\right)
Arkuskosinus: \alpha = \arccos\left(\dfrac{\text{Ankathete}}{\text{Hypotenuse}}\right) = \arccos\left(\dfrac{b}{c}\right)   und   \beta = \arccos\left(\dfrac{\text{Ankathete}}{\text{Hypotenuse}}\right) = \arccos\left(\dfrac{a}{c}\right)
Arkustangens: \alpha = \arctan\left(\dfrac{\text{Gegenkathete}}{\text{Ankathete}}\right) = \arctan\left(\dfrac{a}{b}\right)   und   \beta = \arctan\left(\dfrac{\text{Gegenkathete}}{\text{Ankathete}}\right) = \arctan\left(\dfrac{b}{a}\right)

Auf dem Taschenrechner steht statt \arcsin meist \sin^{-1}, statt \arccos \cos^{-1} und statt \arctan \tan^{-1} . Bitte beachten Sie, dass damit nicht der Kehrwert gemeint ist!

Auch wenn in diesem Lernmodul vor allem die Winkelberechnung als Anwendungsfall der Arkusfunktionen betrachtet wird, sind sie natürlich für viele andere Bereiche auch nützlich bzw. notwendig. Wenigstens die Graphen der Arkusfunktionen sollen nicht fehlen:

f(x)= \arcsin(x) mit dem Definitionsbereich \mathbb{D}=[-1; 1] und dem Wertebereich \mathbb{W}=\left[-\dfrac{\pi}{2};\dfrac{\pi}{2}\right] als Umkehrfunktion zu f(x)=\sin(x) mit \mathbb{D}=\left[-\dfrac{\pi}{2};\dfrac{\pi}{2}\right] und \mathbb{W}=[-1; 1]


f(x)= \arccos(x) mit \mathbb{D}=[-1; 1] und \mathbb{W}=[0;\pi] als Umkehrfunktion zu f(x)=\cos(x) mit \mathbb{D}=[0;\pi] und \mathbb{W}=[-1; 1]


f(x)= \arctan(x) mit \mathbb{D}=\mathbb{R} und \mathbb{W}=\left]-\dfrac{\pi}{2};\dfrac{\pi}{2}\right[ als Umkehrfunktion zu f(x)=\tan(x) mit \mathbb{D}=\left]-\dfrac{\pi}{2};\dfrac{\pi}{2}\right[ und \mathbb{W}=\mathbb{R}

Arkusfunktionen

Bemerkung 1: Bitte beachten Sie, dass der Arkussinus und der Arkuskosinus nicht für alle reellen Zahlen definiert sind, sondern nur auf dem Intervall [-1;1]. Warum ist das so? Umkehrfunktionen "beantworten" grundsätzlich die Frage: "Wie lautete das Argument der Funktion, wenn wir xy als Ergebnis erhalten haben?" Die Umkehrfunktion bekommt also das Ergebnis der Ursprungsfunktion als Argument und liefert das Argument der Ursprungsfunktion zurück. Nun können Sinus und Kosinus ja bekanntlich nur Werte zwischen -1 und 1 annehmen. Fragen der Art "Wie lautete das Argument der Sinusfunktion, wenn wir als Ergebnis 2 erhalten haben?" sind also sinnlos.
Bemerkung 2: Manchmal müssen beim Bilden von Umkehrfunktionen die Definitionsbereiche der ursprünglichen Funktionen eingeschränkt werden, so auch hier. Warum das? Wegen der Periodizität der trigonometrischen Funktionen hätte z. B. die Frage "Wie lautete das Argument der Sinusfunktion, wenn der Funktionswert 1 ist?" (also genau die Frage, die \arcsin(1) "beantworten" möchte) nicht nur die Antwort \dfrac{\pi}{2} , sondern auch -\dfrac{3\pi}{2}, \dfrac{5\pi}{2}, \dfrac{9\pi}{2} und unendlich viele andere Werte. Ließe man also die gesamten reellen Zahlen als Definitionsbereich zu, gäbe es keine eindeutige Antwort. Das ist ein Widerspruch zur Funktionsdefinition, die eine eindeutige Zuordnung der Werte verlangt. Man löst das Problem, indem man die Definitionsbereiche so einschränkt, dass jeder Funktionswert genau einmal enthalten ist. Das ist beim Sinus für \left[ -\dfrac{\pi}{2}; \dfrac{\pi}{2}\right] ; beim Kosinus für [0;\pi] und beim Tangens für \left] -\dfrac{\pi}{2}; \dfrac{\pi}{2}\right[ der Fall. Da aus Bemerkung 1 auch folgt, dass die Wertebereiche der Umkehrfunktionen den Definitionsbereichen der ursprünglichen Funktionen entsprechen, kennen wir somit die Wertebereiche der Arkusfunktionen.

 

Animierte Grafik: 

Sinus und Cosinus am Einheitskreis.gif (525 KB)

 

Weitergehende Informationen zum Thema:

trig0.pdf (210 KB)