SOS Mathematik
Dieses Kapitel enthält die folgenden Themen:
- Lineare Gleichungssysteme allgemein
- Lösbarkeit linearer Gleichungssysteme
- Lösungsmethoden - Additionsverfahren
- Lösungsmethoden - Gleichsetzungsverfahren
- Lösungsmethoden - Einsetzungsverfahren
- Lösungsmethoden - grafische Lösung
7.2 Lineare Gleichungssysteme - Erklärungen
Lineare Gleichungssysteme allgemein
Ein lineares Gleichungssystem ist ein System, das aus mehreren linearen Gleichungen besteht, die gemeinsam gelöst werden sollen. Das bedeutet, dass Zahlen gesucht werden, die gleichzeitig Lösung von allen Gleichungen des Systems sind. Grundsätzlich ist die Zahl der Gleichungen und Variablen nicht beschränkt. Wir beschäftigen uns hier allerdings vor allem mit linearen Gleichungssystemen, die zwei lineare Gleichungen und zwei Variablen enthalten. Das reicht fürs Erste ...
Ein lineares Gleichungssystem kann beispielsweise folgendermaßen aussehen:
Manchmal schreibt man Gleichungssysteme auch in der sogenannten Matrixschreibweise. Dabei lässt man die Variablen und die Gleichheitszeichen weg. Dafür muss man dann mit der Anordnung der Zahlenwerte sehr sorgsam sein:
Der Definitionsbereich: Auch bei Gleichungssystemen muss angegeben werden, aus welchen Zahlenbereichen die Variablen stammen. Da es zwei Variablen gibt, benötigt der Definitionsbereich auch zwei Mengen - für jede Variable eine. Notiert wird das mit dem Zeichen zwischen den Mengen.
Für unser Beispiel ist der Definitionsbereich: (gesprochen: "D gleich R kreuz R"). Diese Schreibweise gibt an, dass zwei Zahlen gesucht sind und diese Zahlen beide den reellen Zahlen entstammen sollen. Natürlich kann es auch Fälle geben, bei denen die Mengen unterschiedlich sind.
Auch die Lösung (so vorhanden) besteht in diesem Fall aus zwei Zahlen, wieder für jede Variable eine. Genauer gesagt, besteht die Lösung aus einem geordneten Zahlenpaar (oder auch 2-Tupel), das folgendermaßen notiert wird: . Geordnet bedeutet dabei, dass diese beiden Werte nicht vertauscht werden dürfen.
Unser Beispiel-Gleichungssystem hat die Lösung . Das werden wir unten noch ausrechen. Im Moment begnügen wir uns damit, das Ergebnis zu überprüfen. Sprich: Wir machen die Probe, indem wir für die und für die einsetzen:
STIMMT! Jetzt noch überprüfen, ob die Lösung im Definitionsbereich liegt: und . Beides in Ordnung! Dann müssen wir nur noch die Lösungsmenge aufschreiben und sind fertig. Die Lösungsmenge notiert man hier mit den runden Klammern des Zahlenpaars, um deutlich zu machen, dass die Anordnung wichtig ist, also oder in allgemeiner Form .
Schauen wir noch eben, was passiert, wenn man die Werte vertauscht, also mit rechnet:
WIDERSPRUCH! Wie man sieht, löst das vertauschte Zahlenpaar unser Beispiel-Gleichungssystem nicht. Womit gezeigt wäre, dass man die Anordnung tatsächlich nicht ignorieren sollte ...
Bei linearen Gleichungssystemen mit mehr als zwei Variablen und Gleichungen werden diese Notationen entsprechend erweitert.
Lösbarkeit von linearen Gleichungssystemen
Lineare Gleichungssysteme können keine, eine oder unendlich viele Lösungen haben, d. h. sie können nicht, eindeutig oder mehrdeutig (und dann mit unendlich vielen Lösungen) lösbar sein. Da lineare Gleichungssysteme nun mal aus linearen Gleichungen bestehen, benötigen wir hier keine neuen Überlegungen, was die Lösbarkeit angeht. Wir können stattdessen ausnutzen, dass wir uns diese Gedanken bereits im Kapitel Lineare Gleichungen gemacht haben.
Die beste Voraussetzung für eine eindeutige Lösung ist, ein lineares Gleichungssystem mit genauso vielen Gleichungen wie Variablen.
Lösen linearer Gleichungssysteme
Wichtige Verfahren zum Lösen linearer Gleichungssysteme sind: das Additionsverfahren, das Gleichsetzungsverfahren und das Einsetzungsverfahren. Häufig ist auch eine grafische Lösung möglich. Grundsätzlich liefern alle Verfahren dasselbe Ergebnis, wenn man sie auf dasselbe lineare Gleichungssystem anwendet. Nur der Lösungsweg kann u. U. etwas länger und umständlicher werden, wenn man nicht den geschicktesten Weg wählt.
Primäres Ziel der Verfahren ist es, das lineare Gleichungssystem so umzuformen, dass in einer der Zeilen nur noch eine Variable vorhanden ist, da lineare Gleichungen mit einer Variablen (wie wir ja schon gesehen haben) problemlos gelöst werden können. Neben den Verfahren, die gleich besprochen werden, benötigt man dazu die Strategien zum Rechnen mit Variablen.
Für alle drei genannten Verfahren gilt: Die Lösungsmenge des Gleichungssystems darf sich während der Anwendung nicht ändern, sonst wären die Zahlen, die man berechnet, ja nicht Lösung des ursprünglichen Gleichungssystems. Es müssen also Äquivalenzumformungen verwendet werden. Zu den Äquivalenzumformungen, die für lineare Gleichungen grundsätzlich gelten, kommen hier noch weitere hinzu und zwar:
- die Addition von einer Zeile des linearen Gleichungssystems zu einer anderen Zeile
- das Vertauschen von zwei Zeilen des linearen Gleichungssystems
In den Beispielrechnungen, die gleich folgen werden, wird vor allem die Addition verschiedener Zeilen eine wichtige Rolle spielen.
Je komplexer das Gleichungssystem wird, desto größer ist die Gefahr von Flüchtigkeitsfehlern. Die Berechnung der Lösung an sich ist nicht übermäßig kompliziert (man benötigt nicht viel mehr als die vier Grundrechenarten ...), aber durch die Vielzahl an Umformungen und Berechnungsschritten verliert man leicht mal den Überblick - und wenn dann Fehler passieren, wird der Rest der Rechnung häufig sehr unschön ...
Es mag banal klingen: Achten Sie daher unbedingt darauf,
- alle Vorzeichen zu berücksichtigen.
- alle Teile der Gleichungen zu multiplizieren. Auch das, was auf der rechten Seite steht!
- die Variablen nicht zu vertauschen.
- ...
Und wenn die Zwischenergebnisse zu unhandlich werden: Sicherheitshalber den ersten Teil der Rechnung nochmal überprüfen ...
Zur Notation: Für einen besseren Überblick ist u. a. folgende Notation nützlich: Am Ende einer Gleichung hinter dem senkrechten Strich wird (wie immer) angegeben, welche Rechenoperation auf diese Zeile des Gleichungssystems angewendet wird. Die Nummerierung der Gleichungen (z. B. und ) ist dafür da, dass man sie gut auseinanderhalten kann. Gleichzeitig deutet man damit an, welche Gleichungen wie zusammengerechnet werden (z. B. ).
Das Additionsverfahren
Idee: Die einzelnen Gleichungen werden mit entsprechenden Zahlen so multipliziert, dass die Koeffizienten vor einer der Variablen Gegenzahlen sind. Dann können die Gleichungen addiert werden mit der Folge, dass diese Variable den Koeffizienten hat, also wegfällt. Es bleibt eine Gleichung mit einer Variablen übrig, die dann gelöst werden kann. Der so erhaltene Wert für die Variable wird in eine der Ausgangsgleichungen eingesetzt, damit die andere Variable berechnet werden kann.
Beispiel:
Das Gleichsetzungsverfahren
Idee: Hat eine Variable in beiden Gleichungen denselben Koeffizienten, kann man diese Tatsache ausnutzen, indem man diese gleichen Summanden in ihren Gleichungen isoliert. Sprich: Man formt die Gleichungen so um, dass die gleichen Summanden jeweils alleine z. B. auf den linken Seiten der Gleichungen stehen. Man folgert: Sind die linken Seiten der beiden Gleichungen gleich, müssen es auch die rechten sein. Man kann diese also gleichsetzen. Auf den beiden rechten Seiten ist aber nur noch eine Variable enthalten, sodass man eine lineare Gleichung mit einer Variablen erhält. Diese löst man und setzt den erhaltenen Zahlenwert in einer der Ausgangsgleichungen ein, um die andere Variable zu berechnen.
Beispiel:
Das Einsetzungsverfahren
Idee: Dieses Verfahren bietet sich an, wenn eine Variable in einer Gleichung den Koeffizienten hat. (Hinweis: Den Koeffizienten notiert man häufig nicht!) Man formt die Gleichung dann so um, dass die Variable mit dem Koeffizienten alleine auf einer Seite der Gleichung steht. Dann hat man eine Möglichkeit gefunden, diese Variable mithilfe der anderen auszudrücken. Diese Umschreibung der Variablen kann man in die andere Gleichung einsetzen (Hinweis: Häufig sind hier Klammern nötig!) und erhält eine Gleichung, die nur noch eine Variable enthält. Wenn man diese gelöst hat, setzt man den gefundenen Wert in eine der ursprünglichen Gleichungen ein und kann so auch für die zweite Variable einen Wert berechnen.
Beispiel:
Grafische Lösung
Idee: Bei der grafischen Lösung eines linearen Gleichungssystems fasst man die einzelnen linearen Gleichungen als lineare Funktionen auf. Evtl. muss man sie dafür ein wenig umformen, sodass sie in der Form vorliegen. Anschließend kann man sie in ein Koordinatensystem eintragen und den Schnittpunkt bestimmen. Dieser ist die gesuchte Lösung.
Beispiel:
In einem Koordinatensystem sehen diese beiden Funktionen dann so aus:
Hier lässt sich die Lösung problemlos ablesen. Hätten wir ein Gleichungssystem mit der Lösung (soll vorkommen ...), würden wir mit dem grafischen Lösungsverfahren nicht glücklich werden ...
Wie es weitergeht
Natürlich gibt es auch lineare Gleichungssysteme mit mehr als zwei Gleichungen und Variablen. Diese sind (natürlich) aufwändiger zu lösen. Die gute Nachricht: Am Prinzip ändert sich nichts. Wenn Sie also verstanden haben, wie man lineare Gleichungssysteme mit zwei Gleichungen und zwei Variablen löst, wissen Sie auch, wie man lineare Gleichungssysteme mit zehn Gleichungen und zehn Variablen löst. Dass man das meist nicht mehr mit Stift und Papier machen möchte, ist eine andere Sache ...
Hier ein Beispiel eines linearen Gleichungssystems mit drei Gleichungen und drei Variablen:
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Rechenoperationen hier nicht mehr hinter die Gleichungen geschrieben, sondern in die Nummerierung integriert wurden. Das hat den Grund, dass beim ersten Schritt Gleichung einmal mit und einmal mit multipliziert werden muss, damit bei der Addition der Gleichungszeilen das entsprechende Element in den Zeilen bzw. wegfällt. Das alles hinter die Gleichung zu schreiben, wäre zu viel und unübersichtlich. Man schreibt es daher vor die neu entstandene Gleichungszeile. Ein kleiner Strich hinter einer Zeilennummer (z. B. ) deutet an, dass es sich zwar noch um Gleichung handelt, mit dieser Gleichung aber schon Berechnungen vorgenommen wurden. Es ist also nicht mehr die Originalgleichung.
Für den Definitionsbereich gilt
Die Lösungsmenge lautet also
Sie haben vielleicht bemerkt, dass der Lösungsweg eine Erweiterung des oben beschriebenen Additionsverfahrens ist. Bei linearen Gleichungssystemen mit mehr als zwei Gleichungen und Variablen entscheidet man sich meist dafür (und nicht für das Gleichsetzungs- oder Einsetzungsverfahren), weil das Gleichungssystem damit überschaubarer bleibt - aber auch weil dieser Rechenweg die Grundlage für das wohl bekannteste Lösungsverfahren in diesem Zusammenhang ist: das gaußsche Eliminationsverfahren, benannt nach Carl Friedrich Gauß, welches auch deswegen von so großer Bedeutung ist, weil es sich gut in Computerprogrammen abbilden lässt. Damit ist dann auch gesichert, dass wir lineare Gleichungssysteme mit zehn Gleichungen und zehn Variablen tatsächlich nicht mehr mit Stift und Papier lösen müssen.