Dieses Kapitel enthält die folgenden Themen:

 

9.2 Quadratische Gleichungen - Erklärungen

Nachdem wir uns schon mit linearen Gleichungen beschäftigt haben und im letzten Kapitel geklärt haben, was quadratische Terme sind, kommen wir nun zum nächsten Gleichungstyp, der diese beiden Konzepte kombiniert. Es wird damit etwas komplexer als bei linearen Gleichungen - aber auch etwas spannender ...

 

Allgemeines

Zunächst (natürlich) die Frage, wie eine quadratische Gleichung aussieht: Eine quadratische Gleichung ist eine Gleichung in folgender Form:
ax^2+bx+c =0 mit a,b,c \in \mathbb{R} und a\neq 0
Zum x-Term in der Gleichung, den wir von den linearen Gleichungen schon kennen, kommt also ein x^2-Term hinzu. Beispiele für quadratische Gleichungen sind also: -5x^2+9x-10=0 oder 14t^2+19=0 oder -z^2-37z=0 oder ...
Die Koeffizienten a, b und c aus der allgemeinen Formel sind dabei irgendwelche reellen Zahlen - mit einer Ausnahme: a darf nicht 0 sein. Warum ist das so? Schauen wir uns an, was passiert, wenn a doch 0 wäre: Dann würde die Gleichung zu 0\cdot x^2+bx+c =0, also bx+c = 0 werden. Damit wäre sie linear und wir bräuchten kein neues Kapitel ...

 

Verschiedene Lösungswege

Wie bei linearen Gleichungen sollen auch beim Lösen quadratischer Gleichungen für die Variable alle Werte gefunden werden, die beim Einsetzen beide Seiten gleich groß werden lassen. Viele Überlegungen, die fürs Lösen quadratischer Gleichungen nötig sind, haben wir daher schon erledigt. Netterweise gibt es für den Rest einige unkomplizierte Lösungsformeln ...

Eine Vorbemerkung: Im Folgenden werden verschiedene Möglichkeiten, eine quadratische Gleichung zu lösen, vorgestellt. Grundsätzlich führen alle Wege zum richtigen Ergebnis. Je nach Form, in der die quadratische Gleichung vorliegt, kann aber der eine oder der andere Weg geschickter sein, weil er kürzer und damit weniger fehleranfällig ist. Es lohnt sich also durchaus, die Gleichung erstmal genau anzuschauen, um ihren Aufbau zu erkennen, und sich danach für einen Lösungsweg zu entscheiden. Das hat den zusätzlichen Vorteil, dass Sie üben, die Struktur einer Gleichung zu erfassen, was Ihnen später, wenn andere Gleichungstypen dazugekommen sind, sehr nützlich sein wird. In Anwendungsaufgaben wird nämlich niemand sagen: "Das ist eine quadratische Gleichung. Bitte lösen Sie diese!" Sie müssen dort selbst erkennen, welche Art Gleichung vorliegt und wie diese am besten gelöst werden kann.

 

Die p-q-Formel

Ein Klassiker in diesem Zusammenhang ist die p-q-Formel: Liegt eine quadratische Gleichung in Normalform vor, also in der Form x^2+px+q=0 mit p, q \in \mathbb{R}, lässt sie sich am einfachsten mithilfe der p-q-Formel lösen. "Normalform" bedeutet, dass der Koeffizient von dem x^2-Term 1 ist und dass auf der "rechten Seite" der Gleichung eine 0 steht.

Die p-q-Formel lautet: x_{1,2}=-\dfrac{p}{2} \pm \sqrt{\left(\dfrac{p}{2}\right)^2-q}

Eigentlich sind dies zwei Formeln in einer: x_1=-\dfrac{p}{2} + \sqrt{\left(\dfrac{p}{2}\right)^2-q} und x_2=-\dfrac{p}{2} - \sqrt{\left(\dfrac{p}{2}\right)^2-q}. Da sich die beiden Formeln aber nur im Rechenzeichen vor der Wurzel unterscheiden, schreibt man sie üblicherweise in einem mit dem Zeichen "plusminus". Es würde sich auch nicht lohnen, alles doppelt aufzuschreiben: Wenn man eine quadratische Gleichung mithilfe der p-q-Formel löst, sind die Rechnungen nämlich - bis auf den letzten Schritt - komplett gleich. Sie sehen das im folgenden Beispiel: Bis zur Leerzeile ist jeder Rechenschritt mit einem \pm geschrieben. Erst danach gibt es eine Zeile mit + und eine Zeile mit -. Bitte achten Sie darauf, dass dann auf der linken Seite der Gleichung nicht mehr x_{1,2} steht, sondern x_1 und x_2. Jede Lösung hat sozusagen ihren eigenen "Namen".


Ein Beispiel:

\begin{array}{rclcc} x^2-3x-4 &=& 0 \cr x_{1,2} &=& -\dfrac{-3}{2} \pm \sqrt{\left(\dfrac{-3}{2} \right)^2-\left(-4\right)} \cr\cr x_{1,2} &=& \dfrac{3}{2} \pm \sqrt{\dfrac{9}{4}+4} \cr\cr x_{1,2} &=& \dfrac{3}{2} \pm \sqrt{\dfrac{9+16}{4}} \cr\cr x_{1,2} &=& \dfrac{3}{2} \pm \sqrt{\dfrac{25}{4}} \cr\cr x_{1,2} &=& \dfrac{3}{2} \pm \dfrac{5}{2} \cr\cr\cr x_1 &=& \dfrac{3}{2}+\dfrac{5}{2} = \dfrac{8}{2} = 4 \cr\cr x_2 &=& \dfrac{3}{2} -\dfrac{5}{2} = -\dfrac{2}{2} = -1 \cr \cr \mathbb{L} &=& \{-1;4\} \end{array}

Bemerkung: Achten Sie darauf, dass p und q Vorzeichen haben! In diesem Beispiel ist p=-3 und q=-4.


Jetzt müssen wir noch kurz überlegen, wie man vorgeht, wenn die quadratische Gleichung nicht in Normalform vorliegt:
Nehmen wir als Beispiel: 5x^2-15x=20. Hier sind beide "Bedingungen" für die Normalform verletzt. Wir müssen die Gleichung also entsprechend umformen:
\begin{array}{rclcc}5x^2-15x &=& 20 &\vert & -20 \cr 5x^2-15x-20 &=& 0 &\vert & :5 \cr x^2-3x-4 &=& 0 \cr ...\end{array}
Den Rest der Rechnung kennen wir schon.
Über diese Äquivalenzumformungen, die Sie schon von den linearen Gleichungen kennen, kann man bei jeder quadratischen Gleichung die Normalform herstellen. Alternativ belässt man die quadratische Gleichung in der Form 5x^2-15x-20 = 0 und wendet die a-b-c-Formel an.

 

Die a-b-c-Formel

Eine quadratische Gleichung in allgemeiner Form, also in der Form ax^2+bx+c = 0 mit a, b, c \in \mathbb{R} und a \neq 0, lässt sich mithilfe der a-b-c-Formel lösen.

Die a-b-c-Formel lautet: x_{1,2}=\dfrac{-b \pm \sqrt{b^2-4ac}}{2a}


Auch hier ein Beispiel:
\begin{array}{rclcc} 5x^2-15x-20 &=& 0 \cr x_{1,2} &=& \dfrac{-(-15) \pm \sqrt{\left(-15\right)^2-4\cdot 5\cdot \left(-20\right)}}{2\cdot 5} \cr\cr x_{1,2} &=& \dfrac{15 \pm \sqrt{225+400}}{10} \cr\cr x_{1,2} &=& \dfrac{15 \pm \sqrt{625}}{10} \cr\cr x_{1,2} &=& \dfrac{15\pm 25}{10} \cr\cr\cr x_1 &=& \dfrac{15+25}{10} = \dfrac{40}{10} = 4 \cr\cr x_2 &=& \dfrac{15-25}{10} = -\dfrac{10}{10} = -1 \cr\cr \mathbb{L} &=& \{-1;4\} \end{array}

Bemerkung: Auch hier die Vorzeichen von a, b und c nicht vergessen!


Wenn Sie lieber nicht mit der a-b-c-Formel rechnen möchten, können Sie die Gleichung in Normalform bringen, sodass Sie mit der p-q-Formel rechnen können. Das ist auch gar nicht kompliziert: Man muss die Gleichung nur durch a teilen. In unserem Beispiel wäre das x^2-\dfrac{15}{5}x-\dfrac{20}{5} = 0. Diese Gleichung kennen wir schon aus dem Beispiel von oben. Umgekehrt kann man natürlich auch die a-b-c-Formel anwenden, wenn die quadratische Gleichung im Normalform vorliegt: Dann ist a=1.
Letztendlich ist es also egal, für welchen der beiden Wege Sie sich entscheiden.

 

Der Satz vom Nullprodukt

Liegt eine quadratische Gleichung faktorisiert vor, d. h. in der Form (ax+b)(cx+d)=0, oder lässt sich leicht entsprechend umformen, hilft der

Satz vom Nullprodukt: Ein Produkt reeller Zahlen ist genau dann 0, wenn einer der Faktoren 0 ist.

Anders formuliert: Multipliziert man eine reelle Zahl mit 0, ist das Ergebnis immer 0. "Einer der Faktoren" meint dabei, dass auch beide Faktoren 0 sein dürfen. Nur \infty dürfen die Faktoren nicht sein - dann hätten wir ja aber auch den Bereich der reellen Zahlen verlassen.


Für unsere quadratische Gleichung bedeutet dies: Man kann die Terme in den Klammern separat betrachten. Denn, wenn wir wissen, für welchen x-Wert eine der Klammern 0 ergibt, ist es völlig egal, welchen Wert der andere Klammerterm annimmt - das Produkt der beiden ist immer 0. Es sind also letztendlich nur zwei lineare Gleichungen zu lösen.


Ein Beispiel:
\begin{array}{rrclll} & (x+1)(x-4) &=& 0 \cr\cr \text{Faktor 1:} & x_1+1 &=& 0 &\vert& -1 \cr & x_1 &=& -1 \cr\cr\text{Faktor 2:} & x_2-4 &=& 0 &\vert& +4 \cr& x_2 &=& 4 \cr\cr & \mathbb{L} &=& \{-1;4\}\end{array}


Auf den ersten Blick mag es wenig sinnvoll erscheinen, aus einer Gleichung zwei zu machen - die zwei entstehenden Gleichungen sind aber deutlich einfacher als die Ausgangsgleichung. Man kann die Lösungen quasi ablesen ... Was wäre die Alternative? Man könnte die beiden Klammern in der Gleichung ausmultiplizieren und die entstehende Gleichung soweit vereinfachen, dass man dann mit der p-q- oder der a-b-c-Formel weiterkommt. Für unser Beispiel bedeutet das:
\begin{array}{rcl} (x+1)(x-4) &=& 0 \cr x^2 - 4x + 1x - 4 &=& 0 \cr x^2 - 3x - 4 &=& 0 \cr ... \end{array}
Diese Gleichung kennen wir schon - es ist das oberste Beispiel in diesem Kapitel. Vergleichen Sie selbst, welcher Weg schneller und einfacher zum Ergebnis führt ...


Dieser Weg über den Satz vom Nullprodukt funktioniert auch wunderbar für Gleichungen der Form (ax+b)^2 = (ax+b)(ax+b) = 0 oder x^2+px = x(x+p) = 0.
Ganz wichtig: Den Satz vom Nullprodukt kann man natürlich nur anwenden, wenn das Ergebnis des Produkts wirklich 0 sein soll! Bei allen anderen Zahlen müssen wir z. B. zur p-q- oder a-b-c-Formel greifen.

 

Umformen

Quadratische Gleichungen in der Form x^2+q = 0 oder ax^2+c=0, also quadratische Gleichungen ohne x-Term, kann man so umformen, dass auf einer Seite der Gleichung nur noch x^2 steht (mathematisch gesprochen: "man isoliert x^2"). Anschließend kommt man durch Wurzelziehen zur Lösung.
Dabei aufpassen: Auch wenn Quadratwurzeln aus reellen Zahlen immer nichtnegativ sind, entstehen beim Wurzelziehen aus einer positiven Zahl zwei Lösungen. Daher steht vor der Wurzel das inzwischen schon bekannte Zeichen \pm.


Und noch ein letztes Beispiel:
\begin{array}{rclcl} 2x^2 &=& 98 &\vert & :2 \cr x^2 &=& 49 &\vert &\pm\sqrt{} \cr x_{1,2} &=& \pm\sqrt{49} \cr\cr x_1 &=& 7 \cr x_2 &=& -7 \cr\cr \mathbb{L} &=& \{-7;7\} \end{array}

 

So, nun haben wir alle üblichen Lösungswege für quadratische Gleichungen angeschaut. Wie in der Einleitung schon gesagt, ist es wichtig, sich damit gut vertraut zu machen und so viele quadratische Gleichungen zu lösen, bis man das im Schlaf kann. In den Kapiteln 13, 14, 15, 16, 17 und 18 werden Sie weitere Gleichungsarten kennenlernen, deren Lösungsalgorithmen eigentlich alle in der einen oder anderen Weise auf den Lösungsalgorithmen für lineare und quadratische Gleichungen aufbauen.

 

Lösbarkeit quadratischer Gleichungen

Zum Abschluss dieses Kapitels kommt man - analog zu linearen Gleichungen - auf die Frage: Ist jede quadratische Gleichung im Bereich der reellen Zahlen lösbar?

Für die Antwort schauen wir uns beispielhaft drei Fälle an:

1. Fall:
\begin{array}{rclcl} x^2-4 &=& 0 &\vert& +4 \cr x^2 &=& 4 &\vert& \pm\sqrt{} \cr x &=& \pm 2 \cr\cr \mathbb{L} &=& \{-2;2\} \end{array}
Diese quadratische Gleichung ist lösbar und hat zwei Lösungen.

2. Fall:
\begin{array}{rclcl} (x-1)^2 &=& 0 &\vert& \pm\sqrt{} \cr x-1 &=& 0 &\vert& +1 \cr x &=& 1 \cr\cr \mathbb{L} &=& \{1\} \end{array}
Diese quadratische Gleichung ist lösbar und hat eine Lösung.

3. Fall:
\begin{array}{rclcl} x^2+10 &=& 0 & \vert &-10 \cr x^2 &=& -10 & \vert & \pm\sqrt{} \cr x &=& \pm \sqrt{-10}\cr\cr \mathbb{L} &=& \emptyset \end{array}
Die quadratische Gleichung ist nicht lösbar. D. h., es gibt keine Zahl, die diese Gleichung löst, da aus negativen Zahlen in \mathbb{R} keine Quadratwurzeln gezogen werden können.

Zusammenfassung: Quadratische Gleichung können im Bereich der reellen Zahlen keine, eine oder zwei Lösungen haben. Im nächsten Kapitel, wo es um quadratische Funktionen und ihre Graphen geht, wird dies noch etwas plastischer werden.