Dieses Kapitel enthält die folgenden Themen:

 

23.2 Integrale - Erklärungen

Mathematischer Hinweis vorab: Wie schon der Begriff "Ableitung" würde die Betrachtung von Integralen die Verwendung von Grenzwerten erfordern. Darauf wird im Rahmen dieses Brückenkurses aber verzichtet, da hier der Umgang mit und das Berechnen von (einfachen) Integralen im Mittelpunkt stehen und ein grobes Verständnis der Hintergründe dafür erstmal ausreicht.

Organisatorischer Hinweis vorab: Natürlich werden in diesem Kapitel auch Beispiele durchgerechnet. Sie finden diese - im Gegensatz zu den anderen Kapiteln - aber am Ende der Seite, da hier erst relativ viel Theorie bekannt sein muss, damit die Beispiele verstanden werden können.

 

Eine kleine Anekdote zu Beginn: Auch bevor die Integralrechnung "erfunden" wurde, mussten Flächeninhalte berechnet werden, für die die Formeln der Geometrie nicht ausreichten. Die damalige Lösung der Wahl war, diese Flächen extrem ordentlich zu zeichnen und auszuschneiden. Anschließend wurde das ausgeschnittene Papier gewogen. Aus dem gleichen Papier wurde dann ein Rechteck (dessen Flächeninhalt ja problemlos berechnet werden kann) ausgeschnitten und ebenfalls gewogen. Über den Dreisatz konnte man dann die unbekannte Fläche zumindest näherungsweise ermitteln.
Ein anderer Weg war, die Flächeninhalte unter Funktionen durch mehrere Rechtecksflächen, die man addierte, anzunähern. Man stellte fest: Je mehr solcher Rechtecke man verwendete, desto kleiner wurde der Unterschied zwischen eigentlicher Fläche und Summe der Rechtecksflächen. Das ist auch der Ursprung des Integralzeichens: Es steht als stilisiertes S für "Summe".

 

Allgemeines zu Integralen

Zunächst ein paar "Vokabeln":

Die Berechnung von Integralen nennt man Integration.

In \displaystyle\int\limits_a^b f(x) \, dx (gesprochen: "Integral von a bis b über f von x dx" oder "Integral von a bis b über f von x nach dx") heißt / heißen

  • \int das Integralzeichen.
  • die Zahlen a und b Integrationsgrenzen. Genauer: a ist die untere Integrationgrenze, b die obere. In unserem Fall handelt es sich um reelle Zahlen, später können die Integrationsgrenzen auch aus anderen Zahlenbereichen stammen.
  • die zu integrierende Funktion f Integrand.
  • die Variable x Integrationsvariable. Ist (wie hier) die Integrationsvariable x, spricht man auch von der Integration über x. Natürlich kann man statt x auch andere Integrationsvariablen verwenden. Man sollte dann nur aufpassen, dass der Name nicht schon an andere Stelle (z. B. bei den Integrationsgrenzen) verwendet wird. Sonst wird die ganze Sache mehrdeutig ...
  • das dx Differenzial. Mit diesem Begriff muss man ein bisschen vorsichtig sein, da er auch in anderen Kontexten und z. T. mit anderer Bedeutung verwendet wird. In diesem Zusammenhang ist es ein symbolischer Bestandteil der Notation, der angibt, über welche Variable integriert wird. Dies ist z. B. dann wichtig, wenn Parameter in der Funktionsgleichung enthalten sind.


Wichtig: Jede auf einem abgeschlossenen Intervall [a ; b] stetige Funktion ist integrierbar.
Der Begriff "Stetigkeit" wurde im Rahmen dieses Lernmoduls nicht weiter definiert. Für uns reicht hier das "Alltagsverständnis" von Stetigkeit, nämlich dass die Funktion ohne abzusetzen von a bis b durchgezeichnet werden kann. Sie darf (sehr unmathematisch formuliert) also keine Unterbrechungen, Lücken, Sprünge o. ä. haben. "Knicke" wie bei der Betragsfunktion sind hingegen kein Problem. Zusätzlich ist wichtig, dass es sich um ein abgeschlossenes Intervall handelt; offene oder halboffene Intervalle sind hier nicht möglich.
Der Satz klingt (leider) besser als er ist: Er besagt nämlich nur, dass es geht – aber nicht wie…

Die Berechnung von Integralen ist - im Gegensatz zum Ableiten - auch schon bei relativ einfachen Funktionen nicht immer elementar möglich - und selbst wenn, ist sie nicht immer einfach, u. a. weil kein allgemeingültiger Algorithmus, also kein "Rezept", dafür existiert. Um Integrale zu bestimmen, muss man aus einer Vielzahl von möglichen Wegen den finden, der zum Ziel führt. Mögliche Wege sind die Anwendung der Integrationsregeln (Ähnliches kennt man vom Ableiten), Rückführen der gesuchten Integrale auf Grundintegrale, Nachschlagen in Integraltafeln oder die Nutzung spezieller Software. Häufig hilft trotzdem nur geschicktes Raten oder eine auf den ersten Blick eher abwegige Idee. Daher gilt: Mehr noch als bei anderen Themen ist hier viel, viel Üben nötig ...

 

Das unbestimmte Integral - Was ist das?

Definition: Gilt F'(x)=f(x), so ist F(x) eine Stammfunktion der Funktion f(x).
Die Formulierung "eine Stammfunktion" deutet schon darauf hin, dass es zu einer Funktion viele Stammfunktionen gibt. Die Menge aller Stammfunktionen nennt man unbestimmtes Integral der Funktion f(x) und schreibt \displaystyle\int f(x) \, dx = F(x) + c mit der Konstanten c\in\mathbb{R}.
Man sieht an dieser Definition, dass das Integrieren die Umkehrung des Ableitens/Differenzierens ist. Sie haben in diesem Lernmodul ja schon an verschiedenen Stellen kennengelernt, dass in der Mathematik gerne Operationen durch eine Umkehroperation "rückgängig" gemacht werden können - so auch hier ...

c ist die sogenannte Integrationskonstante. Sie ist deswegen wichtig, weil zwei Funktionen, die sich nur um eine additive Konstante unterscheiden, die gleiche Ableitung haben. Anders formuliert: Beim Ableiten fällt der konstante Term weg. Bei der Umkehrung des Ableitens kann dann nicht mehr einfach so bestimmt werden, welche Konstante in der Ursprungsfunktion möglicherweise enthalten war. Da die Konstante in inhaltlichen Zusammenhängen aber wichtig werden kann, darf man sie nicht einfach "unter den Tisch fallen lassen". Also nimmt man eine allgemeine Konstante c\in\mathbb{R}. Ggf. kann man sie später noch konkret bestimmen.

Bemerkung: So wie man die Ableitung einer Funktion mit einem hochgestellten Strich an der Funktionsbezeichnung kennzeichnet (die Ableitung von f(x) heißt üblicherweise f'(x) ), nennt man Stammfunktionen üblicherweise F(x) (gesprochen: "groß f von x"), wenn die Funktion f(x) heißt. Hält man sich an diese Konvention, wird bereits durch die Bezeichnungen deutlich, wie die Funktionen zusammenhängen.


Berechnung: Zur Berechnung unbestimmter Integrale nutzt man die Grund- bzw. Stammintegrale sowie die Integrationsmethoden, die weiter unten in diesem Kapitel erklärt werden.


Ganz wichtig: Die Stammfunktion / das unbestimmte Integral einer Funktion ist wieder eine Funktion bzw. eine Menge von Funktionen!
 

Das bestimmte Integral - Was ist das?

Die Integralrechnung kann dazu genutzt werden, Flächen zu berechnen. Das ist ja wahrscheinlich genau das, woran die meisten denken, wenn sie das Wort "Integral" hören. Die Bedeutung der Integralrechnung geht aber weit über diesen Bereich hinaus.
Bleibt man bei der Flächenberechnung, kann man noch etwas genauer sagen: Man verwendet die Integralrechnung, um krummlinig begrenzte Flächen (in unserem Fall: der Ebene) zu berechnen. Gradlinig begrenzte Flächen der Ebene, z. B. von Quadraten, Rauten oder Dreiecken, können mithilfe der Geometrie bestimmt werden. Bei einigen krummlinig begrenzten Flächen, wie vom Kreis oder von Kreissegmenten, funktioniert dies ebenfalls. Werden die Flächen komplizierter, gibt es keine Formeln mehr dafür, sodass die Integralrechnung zum Zuge kommt. Klassischerweise berechnet man dabei Flächen, die von einer Funktion f(x), der x-Achse und zwei Parallelen zur y-Achse durch a und b begrenzt werden. Geschrieben wird dies: A=\displaystyle\int\limits_a^b f(x)\,dx. Grafisch sieht das so aus:

Beispiel bestimmtes Integral


Im Unterschied zum "geometrischen" Weg liefert die Integralrechnung allerdings einen sogenannten orientierten Flächeninhalt. Das bedeutet, dass Flächen, die unterhalb der x-Achse liegen, negativ zählen. Das bestimmte Integral gibt also nicht direkt den Flächeninhalt zwischen der Funktion und der x-Achse bezogen auf ein bestimmtes, abgeschlossenes Intervall an, sondern eine Art Flächenbilanz, also die Summe aus den positiv gezählten Flächeninhalten oberhalb der x-Achse - in der folgenden Grafik A_{pos} - und den negativ gezählten Flächeninhalten unterhalb der x-Achse - in der folgenden Grafik A_{neg}:

Beispiel bestimmtes Integral mit positiven und negativen Flächen


Berechnung: Man berechnet ein solches bestimmtes Integral, indem man eine Stammfunktion F(x) von f(x) berechnet und die Differenz F(b)-F(a) bildet. Man schreibt: \displaystyle\int \limits_a^bf(x) \, dx = \left[ F(x) \right]_a^b = F(b)-F(a)
Merksatz: "Funktionswert von F(x) an der oberen Grenze minus Funktionswert von F(x) an der unteren Grenze"
Dieser Zusammenhang beruht auf einem der wichtigsten Sätze zu diesem Thema, nämlich dem Fundamentalsatz der Analysis, auch Hauptsatz der Differenzial- und Integralrechnung genannt.


Ganz wichtig: Das bestimmte Integral einer Funktion ist eine Zahl!


Einige Eigenschaften des bestimmten Integrals

  • Sind die obere und die untere Integrationsgrenze identisch, hat das bestimmte Integral den Wert 0: \displaystyle\int\limits_a^af(x) \, dx=0

  • Das bestimmte Integral über das ganze Intervall ist gleich der Summe der bestimmten Integrale über Teilintervalle (Achten Sie auf die Integrationsgrenzen!): \displaystyle\int\limits_a^cf(x) \, dx=\displaystyle\int\limits_a^bf(x) \, dx+\displaystyle\int\limits_b^cf(x) \, dx

  • Ist im ganzen Integrationsintervall f(x), so gilt: \displaystyle\int\limits_a^bf(x) \, dx

  • Vertauscht man die Integrationsgrenzen, wechselt das bestimmte Integral das Vorzeichen: \displaystyle\int\limits_a^b f(x) \, dx=-\displaystyle\int\limits_b^af(x) \, dx

 

Grund- oder Stammintegrale

Als Grund- oder Stammintegrale bezeichnet man die (unbestimmten) Integrale einiger häufig vorkommender Funktionen. Bitte beachten Sie jeweils die Definitionsbereiche der Funktionen sowie ggf. weitere Einschränkungen!
Die Integrationskonstante sei jeweils c\in\mathbb{R}.

 

Polynomfunktionen

Für Polynomfunktionen (auch ganz rationale Funktionen genannt) gilt:
\displaystyle\int x^n \, dx=\dfrac{x^{n+1}}{n+1}+c mit n\in\mathbb{Z}\backslash_{\{-1\}}
Bemerkung: Die Integrationsregel ist hier nur für eine sehr einfache ganz rationale Funktion, auch Potenzfunktion genannt, aufgeführt. Mithilfe der Summen- und Faktorregel (siehe unten) funktioniert diese Regel auch für allgemeine Polynomfunktionen.

Mithilfe der Potenzgesetze kann diese Regel auch für Wurzelfunktionen und einfache gebrochen rationale Funktionen angewendet werden und gilt nämlich:
\displaystyle\int \sqrt[n]{x} \, dx = \displaystyle\int x^\frac{1}{n} \, dx = \dfrac{x^{\frac{1}{n}+1}}{\frac{1}{n}+1} = \dfrac{n}{n+1}x^\frac{1+n}{n}+c
und
\displaystyle\int \dfrac{1}{x^n} \, dx = \displaystyle\int x^{-n} \, dx = \dfrac{x^{-n+1}}{-n+1}+c
Anders formuliert: Die Potenzregel gilt für alle Exponenten aus dem Zahlenbereich \mathbb{Q}\backslash_{\{-1\}}.

Achtung: Diese Regel gilt nicht, wenn der Exponent -1 ist, also für die Funktion f(x) = \dfrac{1}{x}, da n+1 in diesem Fall nämlich 0 ist und durch 0 bekanntermaßen nicht geteilt werden darf. Hier gilt (etwas überraschend):
\displaystyle\int\dfrac{1}{x} \, dx=\ln\vert x \vert+c
Bemerkung: Dies ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich Integrale manchmal anders "verhalten", als man hätte denken können, und damit, warum hier viel Übung und Erfahrung nötig ist. Der Gedanke, dass das Integral einer Polynomfunktion wieder ein Polynom ist, ist ja durchaus nicht abwegig. In den meisten Fällen stimmt das auch - aber eben nicht immer ...

 

Exponential- und Logarithmusfunktionen

Für Exponentialfunktionen gilt:
\displaystyle\int e^x \, dx=e^x+c

\displaystyle\int a^x \, dx=\dfrac{a^x}{\ln(a)}+c

Für Logarithmusfunktionen gilt:
\displaystyle\int \ln(x) \, dx=x\ln(x)-x+c

\displaystyle\int\log_a(x) \, dx=\dfrac{1}{\ln(a)}\left(x\ln(x)-x\right)+c

 

Trigonometrische Funktionen

Für die Sinusfunktion gilt
\displaystyle\int\sin(x) \, dx=-\cos(x)+c

Für die Kosinusfunktion gilt
\displaystyle\int\cos(x) \, dx=\sin(x)+c

Für die Tangensfunktion gilt
\displaystyle\int\tan(x) \, dx=-\ln\left(\left|\cos(x)\right|\right)+c

 

Integrationsregeln und -methoden

Bei einer komplexeren Funktion gibt es zwei Ansätze für die Integration: Entweder die Funktion lässt sich durch geeignete Umformungen auf eines der Grundintegrale zurückführen oder man versucht mithilfe der hier aufgezeigten Integrationsmethoden weiterzukommen. Allerdings gibt es auch Funktionen, die sich nicht "vernünftig" integrieren lassen.

Zunächst zwei Regeln, deren Pendants Sie schon bei den Ableitungsregeln kennengelernt haben:

Faktorregel

Enthält der Integrand einen konstanten Faktor k\in\mathbb{R}, so kann dieser vor das Integral gezogen werden: \displaystyle\int k\cdot f(x) \, dx = k\cdot \int f(x) \, dx

 

Summenregel

Das Integral einer Summe zweier Funktionen ist gleich der Summe der Integrale der beiden Funktionen: \displaystyle\int\left(f(x)+g(x)\right) \, dx = \displaystyle\int f(x) \, dx+\displaystyle\int g(x) \, dx
Bemerkung: Das gilt natürlich auch für Summen mit mehr als zwei Summanden.


Sozusagen die Umkehrung der Produktregel für das Ableiten ist die

Partielle Integration

für unbestimmte Integrale: \displaystyle\int u'(x)v(x) \, dx = u(x)v(x)-\displaystyle\int u(x)v'(x) \, dx

für bestimmte Integrale: \displaystyle\int\limits_a^b u'(x)v(x) \, dx = \left[u(x)v(x)\right]_a^b-\displaystyle\int\limits_a^b u(x)v'(x) \, dx


Auch die Kettenregel hat hier eine Entsprechung, nämlich die

Integration durch Substitution

für unbestimmte Integrale: \displaystyle\int f\left(g(x)\right)\cdot g'(x) \, dx = \displaystyle\int f(z) \, dz mit z=g(x) und g'(x)=\dfrac{dz}{dx}
alternativ: \displaystyle\int f\left(g(x)\right)\cdot g'(x) \, dx = F\left(g(x)\right)+c

für bestimmte Integrale: \displaystyle\int\limits_a^b f\left(g(x)\right)\cdot g'(x) \, dx = \displaystyle\int\limits_{g(a)}^{g(b)} f(z) \, dz mit z=g(x) und g'(x)=\dfrac{dz}{dx}


Ein Sonderfall der Integration durch Substitution ist die

Logarithmische Integration

\displaystyle\int\dfrac{f'(x)}{f(x)} \, dx = \ln{\vert f(x)\vert}+c mit f(x)\neq 0 für alle x\in\mathbb{D}

 

Beispiele

Nun - endlich - ein paar Beispiele für die verschiedenen Berechnungen:

Berechnung eines bestimmten Integrals

Gesucht sei \displaystyle\int\limits_0^3 2x \, dx
Nach der Formel für das Integral von Polynomfunktionen und der Faktorregel gilt
\begin{array}{rcl} \displaystyle\int\limits_0^3 2x \, dx &=& 2\displaystyle\int\limits_0^3 x^1 \, dx \cr &=& 2\cdot\left[\dfrac{x^2}{2}\right]_0^3 \cr\cr &=& 2\left(\dfrac{3^2}{2}-\dfrac{0^2}{2}\right) \cr\cr &=& 2\cdot \dfrac{9}{2} \cr\cr &=& 9 \end{array}

Bemerkung: Man kann sich fragen, warum diese Rechnung kein c enthält. Korrekterweise ist ja F(x)=\dfrac{x^2}{2}+c. Hier die Rechnung mit c:
\begin{array}{rcl} \displaystyle\int\limits_0^3 2x \, dx &=& 2\cdot\left[\dfrac{x^2}{2}+c\right]_0^3 \cr\cr &=& 2\left(\left(\dfrac{3^2}{2}+c\right)-\left(\dfrac{0^2}{2}+c\right)\right) \cr\cr &=& 2\left(\dfrac{9}{2}+c-0-c\right) \cr\cr &=& 9 \end{array}
Man stellt fest, dass sich das c während der Rechnung aufhebt, da es im ersten Summanden positiv "auftaucht" und im zweiten negativ. Daher wird es in diesem Zusammenhang meist gleich weggelassen.


Alternativer Weg: Zeichnet man die Funktion in ein Koordinatensystem, erkennt man, dass die schraffierte Fläche A_D die Form eines Dreiecks hat:

Dreiecksfläche unter der Geraden

Die Fläche eines Dreiecks lässt sich aber auch ohne Integralrechnung bestimmen, nämlich
A_D=\dfrac{1}{2}gh mit g: Grundseite und h: Höhe auf die Grundseite
In diesem Fall ist g=3 und h=f(3)=6. Daraus ergibt sich A_D=\dfrac{1}{2}\cdot 3 \cdot 6=9.

Das ist natürlich kein Beweis dafür, dass die Regel für die Integration von Polynomfunktionen richtig ist (Es hätte uns aber schon verwundern müssen, wenn etwas anderes herausgekommen wäre ...). Dies soll nur als kleine Plausibilisierung der Regel dienen sowie als Erinnerung, dass es häufig nicht nur einen Lösungsweg gibt.

 

Berechnung von Flächeninhalten

Soll anstelle des bestimmten Integrals der Flächeninhalt bestimmt werden, der vom Graphen und der x-Achse in einem bestimmten Intervall eingeschlossen wird, muss man die Funktion vor dem Integrieren ein bisschen genauer anschauen. Hat die Funktion in dem Intervall nämlich Nullstellen (d. h. liegen Teile der zu berechnenden Fläche unterhalb und andere Teile oberhalb der x-Achse), unterscheidet sich der Wert des Integrals von der Größe des Flächeninhalts, weil die Flächen unterhalb der x-Achse ja negativ in den Wert des Integrals einfließen. Bei der Berechnung der Fläche als solche zählen sie aber natürlich positiv.


Ein einfaches Beispiel
Gesucht sei die Fläche, die von der x-Achse und der Funktion f(x)=x^3-6x^2+11x-2 im Intervall \left[1;4\right] eingeschlossen wird. Sie ist in der folgenden Grafik schraffiert eingezeichnet.

Fläche unter Funktion 3. Grades

Die Grafik zeigt: Die Funktionswerte sind im gesamten betrachteten Intervall größer als 0. Das bedeutet, dass die Größe des Flächeninhaltes und der Wert des bestimmten Integrals \displaystyle\int\limits_1^4 \left(x^3-6x^2+11x-2\right)\,dx gleich sind. Es gibt ja keine Flächen unterhalb der x-Achse, die negativ gezählt werden könnten.

Nach der Formel für das Integral von ganz rationalen Funktionen und die Summen- und Faktorregel gilt:
\begin{array}{rcl} \displaystyle\int\limits_1^4 \left(x^3-6x^2+11x-2\right)\,dx &=& \displaystyle\int\limits_1^4 x^3 \, dx +\displaystyle\int\limits_1^4 -6x^2\,dx+\displaystyle\int\limits_1^4 11x\, dx +\displaystyle\int\limits_1^4 -2\,dx \cr\cr &=& \displaystyle\int\limits_1^4 x^3 \, dx -6\displaystyle\int\limits_1^4 x^2\,dx+11\displaystyle\int\limits_1^4 x\, dx -2\displaystyle\int\limits_1^4 1\,dx \cr\cr &=& \left[\dfrac{1}{4}x^4-6\cdot\dfrac{1}{3}x^3+11\cdot\dfrac{1}{2}x^2-2x\right]_1^4\cr\cr &=& \left[\dfrac{1}{4}x^4-2x^3+\dfrac{11}{2}x^2-2x\right]_1^4 \cr\cr &=& \dfrac{1}{4}\cdot4^4-2\cdot4^3+\dfrac{11}{2}\cdot4^2-2\cdot4-\left(\dfrac{1}{4}-2+\dfrac{11}{2}-2\right) \cr\cr &=& \dfrac{57}{4} \end{array}
Die Fläche A ist also \frac{57}{4}=14{,}25 Flächeneinheiten groß.

Bemerkung: So ausführlich wie in dieser Beispielrechnung wird man den Lösungsweg sonst nicht aufschreiben ...


Ein etwas schwierigeres Beispiel
Gesucht sei die Fläche, die von der x-Achse und der Funktion f(x)=\dfrac{2}{5}x^2+\dfrac{4}{5}x im Intervall [-2;1] eingeschlossen wird. In der folgenden Grafik sieht man, dass die Gesamtfläche (schraffiert) in zwei Teilflächen A_1 und A_2 zerfällt.

Fläche, die von der x-Achse und einer Parabel eingeschlossen wird

Um die Größe der gesamten eingeschlossenen Fläche zu berechnen, muss nun also das Integral an der im Intervall \left[-2;1\right] liegenden Nullstelle aufgeteilt werden. Dann werden die Einzelflächen berechnet und anschließend deren Beträge addiert.

Nullstellen berechnen
\begin{array}{rcl} \dfrac{2}{5}x^2+\dfrac{4}{5}x &=& 0 \cr &...& \cr x_1 &=& -2 \cr x_2 &=& 0 \end{array}
Da die erste Nullstelle nicht innerhalb der betrachteten Intervalls liegt, ist nur die zweite Nullstelle gerade interessant.

Zu berechnen ist nun also
\begin{array}{rcl} A_1 &=& \displaystyle\int\limits_{-2}^0 \left(\dfrac{2}{5}x^2+\dfrac{4}{5}x\right)\,dx \cr\cr &=& \left[\dfrac{2}{5\cdot 3}x^3+\dfrac{4}{5\cdot 2}x^2\right]_{-2}^0 \cr\cr &=& \dfrac{2}{15}\cdot 0+\dfrac{2}{5}\cdot 0-\left(\dfrac{2}{15}\cdot\left(-2\right)^3+\dfrac{2}{5}\cdot\left(-2\right)^2\right) \cr\cr &=& -\dfrac{8}{15} \end{array}

\begin{array}{rcl} A_2 &=& \displaystyle\int\limits_{0}^1 \left(\dfrac{2}{5}x^2+\dfrac{4}{5}x\right)\,dx \cr\cr &=& \left[\dfrac{2}{5\cdot 3}x^3+\dfrac{4}{5\cdot 2}x^2\right]_0^1 \cr\cr &=& \dfrac{2}{15}\cdot 1+\dfrac{2}{5}\cdot 1-0 \cr\cr &=& \dfrac{8}{15} \end{array}

Das ergibt für die Gesamtfläche A
\begin{array}{rcl} A &=&\left| A_1\right| + \left| A_2\right| \cr\cr &=& \left| -\dfrac{8}{15} \right| +\left| \dfrac{8}{15} \right| \cr\cr &=& \dfrac{16}{15} \end{array}
Die Fläche A ist also \frac{16}{15}\approx 1{,}07 Flächeneinheiten groß.

Bemerkung: Man sieht hier sehr schön, was passieren würde, wenn man die Nullstelle oder die Betragsstriche in der Rechnung ignorieren würde. Das bestimmte Integral \displaystyle\int\limits_{-2}^1 \left(\dfrac{2}{5}x^2+\dfrac{4}{5}x\right)\,dx ist nämlich 0, was sicherlich nicht die Größe der schraffierten Fläche ist.

 

Anwendung der partiellen Integration

Gesucht sei \displaystyle\int xe^x \, dx mit \mathbb{D} = \mathbb{R}.
\begin{array}{lclcrcl} \quad u' &=& e^x \quad \Rightarrow \quad u &=& e^x \cr \quad v &=& x \quad \Rightarrow \quad v' &=& 1 \cr \cr \displaystyle\int xe^x \, dx &=& xe^x-\displaystyle\int1e^x \, dx \cr &=& xe^x-e^x+c \cr &=& (x-1)e^x+c \end{array}
mit c\in\mathbb{R}

Bemerkung 1: Die partielle Integration lohnt sich immer dann, wenn die Funktion aus mehreren Faktoren zusammengesetzt ist und einer dieser Faktoren einfach(er) integriert werden kann und das Integral, welches sich dann auf der rechten Seite ergibt, gut zu lösen ist. Deswegen wurde hier u'(x)=e^x gesetzt, weil e^x unkompliziert zu integrieren ist. Außerdem vereinfacht sich das Integral auf der rechten Seite, da beim Ableiten von v(x)=x nur eine 1 stehenbleibt.
Bemerkung 2: Bei der vorletzten Umformung wäre es auch möglich
\begin{array}{rcl} ... &=& xe^x-\left(e^x+c\right) \cr &=& xe^x-e^x-c \end{array}
zu schreiben. Da c aber ohnehin eine beliebige reelle Zahl ist, kommt es auf das Vorzeichen hier nicht an.

 

Anwendung der Integration durch Substitution

Bevor wir uns um dieses Beispiel kümmern, muss noch eine Schreibweise geklärt werden: \dfrac{df}{dx} ist eine andere Schreibweise für die Ableitung dieser Funktion f nach der Variablen x, also f'(x). Da das z, mit dem wir im Folgenden substituieren, von x abhängt, können wir z auch nach x ableiten und das Ganze als \dfrac{dz}{dx} schreiben.

Gesucht sei \displaystyle\int \sqrt{2x+1} \, dx mit \mathbb{D}=\left[-\dfrac{1}{2} ; \infty\right[.
Substituieren wir z = 2x+1, ist die Ableitung davon \dfrac{dz}{dx}=2. Durch die Substitution wird unser Integrand \sqrt{ 2x+1} nun zu \sqrt{z}. Da wir nach z integrieren wollen, muss am Ende des Integrals auch dz (und nicht dx) stehen. \dfrac{dz}{dx} = 2 lässt sich umformen zu \dfrac{dz}{2} = dx. Aus unserem Integral wird also:
\begin{array}{rcl} \displaystyle\int \sqrt{2x+1} \, dx &=& \int \sqrt{z} \, \dfrac{dz}{2} \cr \cr &=& \dfrac{1}{2}\displaystyle\int\sqrt{z} \, dz \cr \cr &=& \dfrac{1}{2}\cdot\dfrac{2}{3}\sqrt{z^3}+c \cr \cr &=& \dfrac{1}{3}\sqrt{z^3}+c \end{array}
Nun kommt noch die Rücksubstitution, denn die eigentliche Aufgabe war ja das Integral mit der Integrationsvariable x zu lösen:
\dfrac{1}{3}\sqrt{z^3}+c = \dfrac{1}{3}\sqrt{(2x+1)^3}+c

Bemerkung 1: In der Grundform wird die Integration durch Substitution wird immer dann angewendet, wenn ein Faktor des Integranden die Ableitung der inneren Funktion des anderen Faktors ist. Als Faustregel kann gesagt werden: Über die Substitution sollte man beim Integrieren immer dann nachdenken, wenn man die Kettenregel benutzen würde, um den Term abzuleiten. Ziel der Substitution ist es, den Integranden zu vereinfachen. Dazu kann es allerdings manchmal nötig sein, eine Substitution zu verwenden, die das Integral auf den ersten Blick komplizierter macht.
Bemerkung 2: In diesem Beispiel wurde "nur" ein Spezialfall der Integration durch Substitution gezeigt, nämlich die lineare Substitution. An ihr lässt sich das Prinzip gut verdeutlichen, weil sie ein gutes Stück einfacher ist als Substitutionen im Allgemeinen.