Dieses Kapitel enthält die folgenden Themen:

 

2.3 Grundlagen - Rechengesetze

Die Gesetze, die in diesem Kapitel besprochen werden, sind ein wenig wie die Regeln im Fußball: Im Sport wird mit den Regeln der zulässige Umgang mit dem Ball und den Mitspielenden festgelegt - in der Mathematik der zulässige Umgang mit Zahlen, Variablen etc. In beiden Fällen entscheidet die Einhaltung der Regeln darüber, ob man ein zulässiges Ergebnis erhält ...
Viele dieser Rechenregeln klingen eher unspektakulär - teilweise sicher auch, weil sie uns so in Fleisch und Blut übergegangen sind, dass wir gar nicht immer merken, wenn wir sie anwenden. Dieses Kapitel soll sie noch mal ins Bewusstsein rufen. Gleichzeitig macht es deutlich, dass diese Rechengesetze nicht selbstverständlich sind. Wenn im Verlauf der Mathematikausbildung weitere mathematische Objekte wie Vektoren und Matrizen hinzukommen, muss immer wieder die Frage gestellt werden, ob die Gesetze, die wir hier als "normal" ansehen, dafür auch gelten - und nicht überall ist das dann auch tatsächlich der Fall.

 

Das vielleicht wichtigste Rechengesetz zuerst: Punktrechnung geht vor Strichrechnung! Das heißt: Eine Kombination aus Summe/Differenz und Produkt/Quotient lässt sich nicht einfach von links nach rechts zusammenfassen.
Nur Klammern können diese Reihenfolge ändern.

 

Klammern sind also in vielen Fällen unerlässlich, weil sie und zwar nur sie die "normale" Rangfolge der Rechenoperationen ändern können. Ein paar Beispiele:

3+4\cdot 5 = 3+20 = 23   Die Punktrechnung muss zuerst gerechnet werden, auch wenn sie "weiter rechts" steht.
(3+4)\cdot 5 = 7\cdot 5 = 35   Die Klammern "erzwingen", dass die Summe zuerst berechnet wird.

7-6\cdot 10 = 7-60 = -53   Genauso hier: Erst multiplizieren, dann subtrahieren.
(7-6)\cdot 10 = 1\cdot 10 = 10   Bei Klammern: Erst die Klammern, dann alles andere.

11+7:7 = 11+1 = 12   Auch hier muss die Punktrechnung, in diesem Fall Division, zuerst gerechnet werden.
(11+7):7 = 18:7 = 2{,}571428...   Berechnet man zuerst die Summe, weil sie in Klammern steht, ist das Ergebnis deutlich anders.


Sie sehen, dass es tatsächlich einen Unterschied macht, in welcher Reihenfolge man die Rechenoperationen anwendet. Wichtig ist also, nicht einfach "drauf los" zu rechnen, sondern sich die Struktur der Aufgaben erst in Ruhe anzuschauen. Wenn man weiß, was auf einen zukommt, ist es viel einfacher, den Überblick zu behalten und die Rangfolge nicht durcheinander zu bringen.
Das ist nicht nur bei solch einfachen Rechnungen so, wo man den Unterschied recht schnell sieht, sondern erst recht dann, wenn die Rechnungen komplexer werden bzw. Variablen ins Spiel kommen. Anders gesagt: Beachtet man die Rangfolge der Rechenoperationen nicht, passieren quasi zwangsläufig Fehler. Manchmal sieht man die Fehler früher, manchmal später und manchmal fallen sie gar nicht auf ...
Das bedeutet zum Beispiel auch, dass Sie zwingend daran denken müssen, Klammern zu setzen, wenn im Laufe einer Rechnung mit einer Summe oder Differenz multipliziert werden muss. Dass Sie mit einer Summe oder Differenz multiplizieren müssen, wird häufig bei vielen verschiedenen Themen vorkommen, z. B. beim Lösen einer Bruchgleichung, wo mit dem Nenner multipliziert werden muss, oder beim Ableiten von verketteten Funktionen, wo mit der inneren Ableitung multipliziert werden muss. Es ist daher extrem wichtig, dass Sie sich jetzt schon mit diesen Rechenregeln vertraut machen - denn niemand wird Ihnen bei solchen Aufgaben im Studium sagen, dass Sie an die Klammern denken sollen …

 

Kommutativgesetz

Das Kommutativgesetz wird auch Vertauschungsgesetz genannt.

Es gilt für alle reellen Zahlen a,b \in \mathbb{R}:

a+b = b+a
a \cdot b = b \cdot a

 

Im Gegensatz zur Addition und Multiplikation sind die Subtraktion, die Division und die Potenzierung im Bereich der reellen Zahlen nicht kommutativ.

Hinweis: Bei allen folgenden Beispielen müssen die Gleichungen von außen nach innen gelesen werden.
Beispiele für kommutative Rechenoperationen

Addition: 5+12 = 17 = 12 + 5
Multiplikation: 4 \cdot 9 = 36 = 9 \cdot 4


Beispiele für nicht kommutative Rechenoperationen

Subtraktion: 14-8 = 6 \quad \neq \quad -6 = 8-14
Division: 2 : 1 = 2 \neq 0{,}5 = 1 : 2
Potenzierung: 3^2 = 9 \neq 8 = 2^3

 

Das Kommutativgesetz ist nicht in allen Situationen so selbstverständlich, wie es manchmal scheint. Gerade im Alltag gibt es viele Situationen, in denen Handlungen oder Vorgehensweisen nicht vertauschbar sind. Denken Sie beispielsweise daran, was passieren würde, wenn Sie morgens erst die Jacke und dann das Unterhemd anziehen oder erst die Marmelade und dann die Butter aufs Brot streichen ...

 

Assoziativgesetz

Das Assoziativgesetz wird auch Verknüpfungs- oder Klammergesetz genannt.

Es gilt für alle reellen Zahlen a, b \in \mathbb{R}:

(a+b)+c = a+(b+c)
(a \cdot b) \cdot c = a \cdot (b \cdot c)

 

Im Gegensatz zur Addition und Multiplikation sind die Subtraktion, die Division und die Potenzierung im Bereich der reellen Zahlen nicht assoziativ.

Hinweis: Auch hier muss wieder von außen nach innen gelesen werden.
Beispiele für assoziative Rechenoperationen

Addition: (1+2)+3 = 3+3 = 6 = 1+5 = 1+(2+3)
Multiplikation: (2 \cdot 3) \cdot 4 = 6 \cdot 4 = 24 = 2 \cdot 12 = 2 \cdot (3 \cdot 4)


Beispiele für nicht assoziative Rechenoperationen

Subtraktion: (1-2)-3 = -1-3 = -4 \neq 2 = 1-(-1) = 1-(2-3)
Division: (8:4):2 = 2:2 = 1 \neq 4 = 8:2 = 8:(4:2)
Potenzierung: \left(2^2 \right)^3 = 4^3 = 64 \neq 256 = 2^8 = 2^{\left(2^3\right)}

 

Das Assoziativgesetz, das ja besagt, dass es in bestimmten Situationen egal ist, wie man bei gleichartigen Rechenoperationen die Klammern setzt, gilt glücklicherweise für sehr viele Rechenoperationen. Wichtig: Kommen verschiedene Rechenoperationen zusammen, ist es meist überhaupt nicht egal, wie die Klammern gesetzt werden!
Auch in der Sprache ist das grundsätzlich anders: Beim Wort "Wollhosenträger" kann man nicht ohne Weiteres entscheiden, ob es sich um einen Hosenträger aus Wolle oder um den Träger einer Wollhose handelt ...

 

Das Assoziativgesetz ist der Grund, warum -(a \cdot b) = -1 \cdot (a \cdot b) = -1 \cdot a \cdot b = -ab gilt.

 

Distributivgesetz

Das Distributivgesetz stellt eine Verknüpfung zwischen verschiedenen Rechenoperationen her, z. B. zwischen Multiplikation und Addition bzw. Subtraktion.

Es gilt für alle reellen Zahlen a,b,c \in \mathbb{R}:

a \cdot \left( b \pm c \right) = a \cdot b \pm a \cdot c
\left( a \pm b \right) \cdot c = a \cdot c \pm b \cdot c
\left( a \pm b \right) : c = a : c \pm b : c

Erklärung: Das Zeichen \pm (gesprochen: "plusminus") ist eine abkürzende Schreibweise und bedeutet, dass die Gleichung sowohl gilt, wenn an dieser Stelle ein + steht als auch, wenn dort ein - steht. Man liest in der Gleichung entweder bei allen Doppelzeichen das Obenstehende oder bei allen Doppelzeichen das Untenstehende.

 

Hinweis: Lesen Sie bitte wieder von außen nach innen.
Beispiele für distributive Rechenoperationen

4 \cdot (10+7) = 4 \cdot 17 = 68 = 40+28 = 4 \cdot 10+4 \cdot7
(20-2) \cdot 9 = 18 \cdot 9 = 162 = 180-18 = 20 \cdot 9-2 \cdot 9
(20+6):2 = 26:2 = 13 = 10+3 = 20:2+6:2


Beispiel für nicht distributive Rechenoperationen

20:(2+2) = 20:4 = 5 \neq 20 = 10+10 = 20:2+20:2

 

Eine direkte Folge des Distributivgesetzes ist das sogenannte Ausmultiplizieren (auch "Klammern auflösen" genannt): (a+b) \cdot (c+d)=ac+ad+bc+bd.
Beim Ausmultiplizieren muss man also jeden Summanden der einen Summe mit jedem Summanden der anderen Summe multiplizieren. Beispiel:
\begin{array}{rcl}(5-14)\cdot(-10+1) &=& 5\cdot(-10) + 5\cdot 1+(-14)\cdot(-10)+(-14)\cdot 1 \cr &=& -50+5+140-14 \cr &=& 81 \end{array}
Alternativ hätte man hier natürlich auch einfach (5-14)\cdot(-10+1) = -9\cdot(-9) = 81 rechnen können ... Sobald Variablen ins Spiel kommen, geht es aber nicht mehr ohne die Formel oben.

Wendet man die Rechenvorschrift von rechts nach links an, heißt der Vorgang Ausklammern oder Faktorisieren. Der Begriff "Faktorisieren" macht deutlich, dass dadurch ein Produkt entsteht.
Beim Ausklammern muss man zuerst alle Summanden so weit wie möglich in Faktoren zerlegen. Der größte gemeinsame Faktor kann dann vor die Klammer gezogen werden. Den "Rest" jedes Summanden schreibt man in die Klammer. Alternativ kann man jeden Summanden durch den größten gemeinsamen Faktor dividieren, um zu ermitteln, was in der Klammer stehen bleibt. Beispiel:
\begin{array}{rcl} -60-\dfrac{5}{2}+35 &=& -5\cdot 12+(-5)\cdot\dfrac{1}{2}-5\cdot (-7) \cr &=& -5\left(12+\dfrac{1}{2}-7\right) \end{array}
Wenn man jede Seite zusammenrechnet, erhält man -\dfrac{55}{2} = -5\cdot\dfrac{11}{2}. Passt!

Ausmultiplizieren und Ausklammen sind Gegenoperationen. Das bedeutet, dass sie sich gegenseitig aufheben. Wenn Sie also unsicher sind, ob Sie richtig ausgeklammert haben, können Sie die Probe durchführen, indem Sie die Klammer wieder ausmultiplizieren.

 

Das Distributivgesetz ist der Grund, warum ein Minuszeichen vor einer Klammer alle Vorzeichen in der Klammer ändert: -(-a+b) = -1 \cdot (-a+b) = -1 \cdot (-a) + (-1) \cdot (+b) = a-b

Bitte beachten Sie den Unterschied zum roten Kasten beim Assoziativgesetz!

Bei -x versteckt sich diese Rechenregel ein bisschen, aber -x meint ja -1\cdot x und ist damit auch eine Multiplikation. Wenn x irgendeine Summe ist, z. B. x = -4+17y, müssen also unbedingt Klammern gesetzt werden: -x = -(-4+17y) = -1\cdot(-4+17y) = -1\cdot(-4)+(-1)\cdot(+17y) = 4-17y

 

Klammern sind wichtig!

Last but not least: Ein paar grundsätzliche Dinge zu Klammern:

  • Da Klammern die einzige Möglichkeit sind, Einfluss auf die Rechenreihenfolge zu nehmen (siehe oben), sollte man sich immer sorgfältig überlegen, ob welche gebraucht werden. Das gilt vor allem dann, wenn verschiedene Rechenoperationen aufeinandertreffen. Dabei gilt: Einmal Klammern zu viel ist fast immer besser als einmal Klammern zu wenig! Wenn Sie sich nicht sicher sind, schreiben Sie also lieber Klammern hin.
    Auch der Taschenrechner berechnet exakt das, was Sie eingeben, und achtet dabei peinlich genau auf jede einzelne Klammer …

  • Wenn ein Term ansonsten zu unübersichtlich werden würde, können Sie verschiedene Arten von Klammern nutzen, z. B. runde, eckige, geschweifte, spitze.
    Achtung: Bei Mengen, Intervallen und n-Tupel haben verschiedene Arten von Klammern unterschiedliche Bedeutungen! Hier darf also nicht "einfach so" eine andere Klammerart genutzt werden.

  • Verschachtelte Klammern werden von innen nach außen aufgelöst! Ein Beispiel:
      4\cdot\left(\right.- \left(20\right. - \left(7+8\right) \left.\right) + 3 \cdot \left(2-6\right) \cdot \left(\frac{1}{2}+1\right) \left.+1\right)
    = 4\cdot\left(\right.- \left(20\right. - 15 \left.\right) + 3 \cdot \left(2-6\right) \cdot \left(\frac{1}{2}+1\right) \left.+1\right)
    = 4\cdot\left(\right.- 5 + 3 \cdot \left(-4\right) \cdot \frac{3}{2} \left.+1\right)
    = 4\cdot\left(\right.- 5 - 18 \left.+1\right)
    = 4\cdot\left(\right. -22 \left.\right)
    = -88
    Achten Sie bitte darauf, dass in der dritten Zeile natürlich "Punktrechnung geht vor Strichrechnung" gilt! Das Produkt 3\cdot\left(-4\right)\cdot\frac{3}{2} muss daher zuerst berechnet werden.

  • Ein Bruchstrich wirkt wie eine Klammer. Dafür wird es im Kapitel Bruchrechnung noch ein paar Beispiele geben.

  • Und natürlich sollte es immer so viele öffnende Klammern wie schließende geben ...